„No Stress on Cres“ und trotzdem (oder gerade deswegen) eine gelungene Summer School, Lisa Sophie Jochens, 28. Ausgabe der Andrássy Nachrichten, Sommersemester 2025 (16. Jahrgang, 1. Ausgabe, Erscheinungsdatum: 10.02.2025), S. 42-44
Auch dieses Jahr fand wieder die „Cres Summer School“ vom 22. bis 27 September 2024 auf der kroatischen Insel Cres statt, die sich jährlich mit der Zukunft Europas beschäftigt und bei
der sich die nächste Generation Europas auf die Suche nach Antworten begibt. Die „Cres Summer School“ ist eine Fortsetzung der Netzwerkaktivitäten, die mit dem Projekt „Europeanisation meets democracy from below: The Western Balkans on the search for new European and democratic Momentum (WB2EU)“ im Oktober 2020 gestartet wurden. Die AUB ist Partner des Netzwerks und konnte sich auch dieses Jahr mit einer Studentin an der Summer School beteiligen.
Als Vertreterin der Andrássy Universität Budapest wurde die Studentin Lisa Sophie Jochens für einen Platz an der „Cres Summer School“ ausgewählt. Der inhaltliche Fokus der Veranstaltung „No Stress on Cres“ und trotzdem (oder gerade deswegen) eine gelungene Summer School lag auf der Erweiterungspolitik der Europäischen Union (EU) gegenüber den Westbalkanstaaten und den neuen Beitrittskandidaten in Osteuropa. In einer Reihe von Vorträgen, Inputs, Workshops und Präsentationen wurden die Thematiken rund ums Thema der EU-Erweiterung aufgearbeitet, analysiert und diskutiert. Frau Jochens konnte ihr Wissen über den aktuellen Stand des europäischen Erweiterungsprozesses vertiefen. Die „Cres Summer School“ zeichnet sich nicht nur durch die wunderschönen Veranstaltungsorte aus, sondern auch durch die Vielzahl an Teilnehmenden aus den unterschiedlichen Ländern Europas, die gemeinsam mehr über Europa erfahren wollen.
Die internationale Sommeruni wurde auch dieses Jahr von mehreren Organisationen organisiert und geleitet, u. a. der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE), dem Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip), dem Institute for Development and International Relations (IRMO) in Zagreb und dem Royal Institute Elcano in Madrid. Unter anderen berichtete Mariam Khotenashvili, die Geschäftsführerin der Trans European Policy Studies Association (TEPSA), über den aktuellen Beitrittsprozess von Georgien und Moldau, welche die östlichsten Beitrittskandidaten der EU darstellen. In der anschließenden Diskussion sprachen die Teilnehmenden vor allem über den Einfluss Russlands, welcher durch die geografische Nähe gegeben ist. Der Konsum von russischen Medien in Georgien und Moldau ist sehr weit verbreitet und prägt maßgeblich die öffentliche Meinung gegenüber
Russland, aber auch gegenüber der EU. Trotz der weit verbreiteten russischen Medien sind die
Zustimmungswerte in Georgien für die Europäische Union hoch, was einen wichtigen Grundstein für weitere Verhandlungen im Beitrittsprozess zur EU darstellt. Neben dem Einfluss Russlands, der auch auf dem Westbalkan zu spüren ist, stellte Ruth Ferrero Turrión (Professorin für Politikwissenschaften an der Complutense Universität Madrid) weitere
Herausforderungen für Europa vor und wie diese Europas Zukunft verändern werden. Diskutiert wurde vor allem über den Klimawandel, aber auch über eine schwächer werdende Demokratie in manchen Staaten Europas. Dabei spielt auch Ungarn eine wichtige Rolle, welches aufgrund seiner illiberalen Demokratie immer mehr als Vorbild für Serbien fungiert. Es ging in der Diskussion also auch um Probleme, die innerhalb der EU bestehen, aber auch darüber hinaus Wirkung zeigen – sowohl positiv als auch negativ.
Der österreichische Botschafter in Kroatien Josef Markus Wuketich und der spanische Stv. Botschafter Jeronimo Fuentes Candau, ebenfalls für Kroatien zuständig, haben in ihren Vorträgen interessante Einblicke in die Perspektiven ihrer jeweiligen Staaten auf die EU gegeben und die Positionen Österreichs und Spaniens zu aktuellen europäischen Herausforderungen und Entwicklungen erläutert. Zentrales Thema war unter anderem die Schwierigkeit, Kosovo in die EU aufzunehmen, wenn gleichzeitig fünf EU-Mitgliedstaaten Kosovo bis heute nicht anerkannt haben, darunter eben auch Spanien. Aus der fehlenden Anerkennung des Kosovos durch mehrere Mitgliedstaaten der EU entsteht eine Vielzahl an Problemen im Beitrittsprozess.
Am letzten Tag der „Cres Summer School“ beschäftigten sich die Teilnehmenden nochmals detaillierter mit dem EU-Erweiterungsprozess der Staaten auf dem Westbalkan. Dafür gab uns
Benjamin Couteau, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Erweiterung, Westbalkan und Türkei am Jacques Delors Institute arbeitet, einen umfangreichen Überblick. In der anschließenden Diskussion wurden die Möglichkeiten, die ein Beitritt des Westbalkans der EU eröffnen könnte, diskutiert. Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der Summer School
stellten die vielen persönlichen Beiträge der Teilnehmenden dar, die es ermöglichten, die rationalen Fakten zum EU-Erweiterungsprozess aus der Perspektive von Personen aus der Region zu betrachten. Für Frau Jochens war dies eine der größten Bereicherungen durch die „Cres Summer School“.
In einer Videoaufnahme erhielten die Teilnehmenden die Chance, ihre Gefühle und Gedanken bezüglich der Zukunft der EU zum Thema „Europe at a crossroads – what needs to be done?“ auszudrücken. Dadurch, dass Frau Jochens, als deutsche Studentin in Budapest, in Gesprächen mit den anderen Studierenden der AUB täglich mit dem langsamen Zerfall der ungarischen Demokratie konfrontiert wurde, thematisierte sie diese Problematik auch in ihrer Videoaufnahme. Auf die Frage „What needs to be done?“ gibt es unzählige Dinge, die getan werden müssen, um einen Zerfall der Demokratie zu verhindern. Frau Jochens unterstreicht die Bedeutung von politischer Bildung als wesentlichen Faktor, um Kompetenzen zu vermitteln, die zur Problem- und Konfliktlösung beitragen. Die junge Generation ist gefordert, sich für den Erhalt der Demokratie in Ungarn, der EU und der Welt einzusetzen.
All die Eindrücke und das neue Wissen durften die Teilnehmenden auch in einem sogenannten Op-Ed verarbeiten. Dabei setzten sie sich mit der Frage auseinander, wie Europa zu einem lebenswerten Ort gemacht werden könnte. Zunächst wurden Überlegungen angestellt, inwiefern die EU kein lebenswerter Ort ist, trotz der zahlreichen bestehenden Standards. In einem zweiten Schritt galt es dann zu beantworten, was für die Teilnehmenden ganz persönlich ein lebenswertes Europa bedeutet. Dabei wurden aufgrund der unterschiedlichen Herkunftsländer und den individuellen Erfahrungen sehr verschiedene Vorstellungen, aber viele Überschneidungen entdeckt, die im Op-Ed festgehalten wurden. In einem letzten Statement wurde ein mögliches Vorgehen formuliert, um diese ausgearbeiteten Vorstellungen von einem lebenswerten Europa zu verwirklichen. Der Op-Ed reflektiert die unterschiedlichen
Emotionen und Gefühle, die die Teilnehmenden bezüglich der EU haben.
Trotz des intensiven Programms hielten sich die beiden Hauptorganisatoren Paul Schmidt (ÖGfE) und Vedran Džihić (ÖIIP) an das Motto der Summer School: „No Stress on Cres“, was die „Cres Summer School“ prägte und letztlich zu einem sehr positiven Outcome führte.